Lohnarbeit und Do It Yourself (DIY)

Für uns ist es wichtig einen Ort zu haben, an dem die übergeordnete Rolle der Lohnarbeit nicht im Vordergrund steht. Kapitalismuskritik und alternative Lebensformen sind für uns keine Jugendphase. Unser Ziel ist es langfristig Perspektiven und Strukturen aufzubauen, um unser Leben nicht nach Job und Karriere ausrichten zu müssen. Wir lehnen „Arbeit“ an sich nicht ab, wollen aber selbst entscheiden, was und wo wir arbeiten: Bauen, Produzieren, sozial intervenieren, Reproduzieren, ob wir künstlerisch, musikalisch oder anders unterwegs sind. Dazu gehört auch, wann, wieviel, wie lange, mit wem, für wen und unter welchen Bedingungen wir tätig sind. Hier auf dem Eschenhof haben wir einen Raum für Visionen, z.B. zur Erschaffung einer Alternative zur Lohnarbeit oder auch für Überlegungen, wie eine gemeinsame solidarische Lebensplanung aussehen könnte (Thema Altersvorsorge). Es scheint uns elementar, einen Platz zu schaffen, an dem eine gemeinschaftliche Auseinandersetzung, auch mit Sorgen und Ängsten, stattfinden kann, in dem diskutiert und ausprobiert wird, nicht nur ein Mal in der Woche beim Plenum, sondern auch schon beim Frühstück! Der Eschenhof ist dabei ein Ausgangspunkt, Gegenkonzepte zur mehrheitsgesellschaftlichen Vorstellung von Arbeit zu entwickeln und zu leben.

Um die Zwänge und Abhängigkeiten für uns vom regulären Arbeitsmarkt zu verringern und zurückzudrängen, streben wir ein möglichst ressourcenschonendes Leben und Wirtschaften an (was auch ökologisch notwendig ist). Dazu gehört z.B., dass wir Alltagsgegenstände teilen (z.B. Kühlschrank, Auto, usw.), Gemüse umsonst organisieren, unseren Wohnraum günstig selbst ausbauen und zum Teil mit recycleten Materialien. In vielen Bereichen des gemeinschaftlichen Lebens versuchen wir uns Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen und weiterzugeben. Arbeitsteilung und Technisierung finden wir dabei oft super, aber wir wollen auch selbst handlungsfähig sein, Abhängigkeiten verringern und merken und ausprobieren, was möglich ist und was wir selbst auf die Beine stellen können. Einige von uns bestellen den Garten und lernen dabei mit der Zeit voneinander und miteinander. Sämtliche bauliche Maßnahmen haben wir selbst geplant und durchgeführt, z.T. in Zusammenarbeit mit befreundeten Handwerker_innen. Dabei bestimmen wir eigenständig, mit welchen Materialien und in welchem Tempo wir arbeiten. Der Kauf des Eschenhofes, mit dem wir das Abhängigkeitsverhältnis von Mieter_innen zu Vermieter_innen aufgelöst haben, sehen wir als Teil dieses DIY-Ansatzes.

Wir sehen im Kapitalismus nicht das schöne Leben, sondern eine eiskalte Verwertungslogik. Wir haben keinen Bock mehr auf diese Pseudo-Alternativlosigkeit, wir glauben nicht an das Ende der Geschichte. Wir wollen eine solidarische Ökonomie, die nicht auf Kapitalakkumulation ausgerichtet ist, sondern sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

Wir glauben, ein richtigeres Leben im falschen ist möglicher! Kollektive Zusammenschlüsse sind eine Alternative zu den kapitalistischen Mechanismen wie Individualisierung, Leistungsdruck, Konkurrenz , Profitorientierung und Zukunftsangst. Es gibt immer Schwierigkeiten einen kollektiven Alltag zu bewältigen, aber da haben wir mehr Bock drauf, als zu überlegen, wie wir die nächste 40-Stunden Arbeitswoche überstehen sollen. Wir wollen unsere Utopien erproben!

untitled ducument

Wir lehnen sämtliche Formen von Herrschaftsverhältnissen ab, nicht nur, weil sie die Grundlage für Ausbeutung und Diskriminierung darstellen, sondern weil wir von einer Gleichheit aller Menschen ausgehen. Klingt banal, wird aber total kompliziert, wenn mensch einmal anfängt, sich damit wirklich zu befassen. Natürlich ist jeder Mensch irgendwie anders und besonders, aber genau darum geht es auch: Wir wollen die Menschheit nicht kategorisieren, weder in schwarz-weiß noch männlich-weiblich noch arm-reich oder sonst irgendwie. Doch das sagt sich so leicht… Uns ist klar, dass wir alle in Herrschaftsstrukturen eingebunden sind und sie viel zu oft reproduzieren – aber das heißt auch, dass wir ihnen nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern die Möglichkeit haben, sie zu verändern und irgendwann ganz abzuschaffen. Wir wollen den Weg in diese Richtung weiter gehen. Auch wenn Herrschaftsformen nicht immer eindeutig oder starr sind, existieren doch klare Strukturen systematischer Dominanz, die sich über einen langen Zeitraum entwickelt haben und sich als recht dauerhaft erwiesen haben. Dazu zählen viele Ismen wie Rassismus oder Sexismus, die auf gesellschaftlichen Konstruktionen wie „Rasse“, „Ethnie“, „Sex“ oder „Gender“ beruhen, die als „natürlich“ gelten. Darüber hinaus gibt es diverse andere Formen der Diskriminierung wie z.B. gegenüber Menschen mit Behinderung oder sogenannten psychisch Kranken. Wie auch immer sich Herrschaft oder Diskriminierung ausprägen, liegen ihnen Normen zugrunde. Diese normierte Position lässt sich – in den Gefilden, in denen wir leben – mit westeuropäisch bzw. nordamerikanisch, weiß, männlich, heterosexuell, städtisch und gesund beschreiben. Aus so einer Perspektive können andere Menschen dann schnell in Kategorien eingeordnet werden, die sie zunächst einmal als ‚irgendwie anders‘ markieren und sie mit nem Haufen von Zuschreibungen oder Vorurteilen ausstatten. Herrschaft kann aber auch viel unauffälliger und subtiler auftreten, also womöglich auf Arten und Weisen, die uns heute (noch) gar nicht systematisch erscheinen. Da gehen die Wünsche und Bedürfnisse einer Person unter, weil sie nicht so gern vor allen auf dem Plenum reden mag und die andere zwischen Bauen am Haus und Geld verdienen müssen im Dauerstress ist. Unser Plan – utopisch, auf jeden – ist, ein Zusammenleben zu schaffen, in dem es allen gut geht, in dem für verschiedenste Bedürfnisse Platz ist und in dem es möglichst herrschaftsfrei zugeht. Um die Theorie der Praxis Schritt für Schritt anzunähern, haben wir das Projekt Eschenhof gegründet. Wir organisieren uns auf dem wöchentlichen Plenum, wo wir Entscheidungen im Konsens treffen und haben bestimmte Aufgabenbereiche in AGs aufgeteilt. Wir setzen uns mit Herrschaftsverhältnissen im Alltag auseinander und versuchen, diese aufzubrechen. Uns ist bewusst, dass das alles nur ganz kleine Schritte und nur ein paar Körner Sand im Getriebe sind. Aber diese kleinen Schritte können individuell viel ausmachen – und wir setzen auf viele weitere Sandmenschchen!

Entgegen der Vereinzelung, dem Kollektiv entgegen

Wir leben in einer Gesellschaft, die durch Individualisierung und Vereinzelung geprägt ist, in der sich stets der_die Stärkere durchsetzt. Verwertungsmentalität, Konkurrenz(denken) und Leistungsdruck werden permanent vorgelebt, ausgelebt, verinnerlicht und bilden – manifestiert in gesellschaftlichen Institutionen – die Grundlagen für das Mit- und Gegeneinander im Kapitalismus. Durch die daraus resultierende Vereinzelung wird auch die widerständige Organisierung erschwert. Dies führt dazu, dass soziale und finanzielle Angriffe wie z.B. miese Bezahlung, Lohnkürzungen, Verarschung durch Behörden, Mietsteigerungen und Verdrängung aus dem Wohnumfeld oft ohne Gegenwehr bleiben. Wir denken, eine kollektive Organisierung mit einem solidarischen Zusammenleben kann eine effektive Antwort auf diese Probleme sein. Wir sehen das kollektive Zusammenleben als Alternative zur kapitalistischen Individualisierung, aber auch als Experimentierfeld, um sich in der Auseinandersetzung mit der Gruppe persönlich weiterzuentwickeln. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, zusammen mit vielen Menschen zu wohnen und auch andere Teilbereiche unseres alltäglichen Lebens gemeinsam zu bestreiten. Durch eine Vielzahl von Fähigkeiten und Kontakten, die im Eschenhof aufeinander treffen, entstehen Synergieeffekte und ein weitverzweigtes Netzwerk. Die Nutzung kollektiver Gemeinschaftsgüter ermöglicht uns freier von Sachzwängen kapitalistischer Verwertung zu leben. Auf lange Sicht wollen wir über das Institut für nachhaltige Entwicklung den Zwang zur fremdbestimmten Arbeit aufheben. Wir unterstützen emanzipatorische Kämpfe gegen soziale Missstände und diskutieren über langfristige Alternativen. Gefahren kollektiver Organisierung versuchen wir dabei zu berücksichtigen. In gruppendynamischen Prozessen können individuelle Bedürfnisse und Grenzen schnell übergangen oder vernachlässigt werden. Und eine kollektive Identität führt schnell zu bewussten und unbewussten Ausschluss- und Abgrenzungsmechanismen. Durch den Aufbau eines Rückzugraums und einer weitreichenden Infrastruktur schaffen wir einen Ort zum Ausruhen, Kräfte sammeln und gemeinsamer Reflexion, um in einer Schwächephase einer europäischen Linken nicht aufgeben zu müssen, sondern uns eine widerständige Perspektive zu erhalten.